Die Kunst der Entscheidungsfindung:
zwischen Logik und Bauchgefühl
Die Kunst der Entscheidungsfindung
Entscheidungen sind das Herzstück unseres Alltags. Wir treffen jeden einzelnen Tag ca. 20.000 Entscheidungen. Und in den allermeisten Fällen denken wir noch nicht einmal darüber nach. Wie entscheiden Sie denn in der Regel? Mit dem Kopf? Aus dem Bauch heraus? Schnell und spontan? Rational und überlegt? In einer Welt, die ständig in Bewegung ist, und in der schnelle Lösungen an der Tagesordnung sind, fragen wir uns manchmal wie sehr unsere Entscheidungen eigentlich auf rationalen Grundlagen basieren. Wir laden Sie ein, in diesem Artikel mit uns tief in die Welt der Entscheidungsfindung einzutauchen und zu entdecken, was den Weg bis zur Entscheidung beeinflusst und wie wir zwischen Bauchgefühl und Logik navigieren.
Das Konzept der rationalen Entscheidungsfindung
Die rationale Entscheidungsfindung, die auf Fakten, Daten und tiefgreifenden Analysen basiert, gilt oft als Goldstandard. In der Geschäftswelt sind Führungskräfte darauf geschult, komplexe Probleme zu durchleuchten und gründlich zu analysieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Diese Vorgehensweise bietet Transparenz und Nachvollziehbarkeit und ermöglicht die Ausarbeitung einer klaren strategischen Vision. Doch es steckt mehr dahinter, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Wenn wir genauer hinschauen, erkennen wir, dass unser Entscheidungsprozess oft subtilen Einflüssen ausgesetzt ist. Trotz unseres Glaubens an die Rationalität unserer Entscheidungen sind sie nicht immer langsam, kontrolliert und analytisch. Insbesondere in neuen und unvertrauten Situationen sind wir vielleicht überrascht, wie andere Faktoren, die wir nicht bewusst wahrnehmen, unsere Entscheidungen lenken.
In unserer Beratungsarbeit begegnet uns das eigentlich täglich. Zum Beispiel treffen Führungskräfte Entscheidungen vermeintlich unter rationalen Gesichtspunkten und merken dann, dass ihr Bauchgefühl eigentlich etwas anderes sagt. Oder sie vertrauen auf ihr Bauchgefühl, können dann allerdings ihre Entscheidung nicht nachvollziehbar begründen.
In diesem Spannungsfeld zwischen rationaler Analyse und unbewussten Einflüssen liegt eine faszinierende Dynamik, die unser Verständnis der Entscheidungsfindung erweitert und unsere Herangehensweise an komplexe Herausforderungen bereichert.
Und welche Rolle spielt das Unbewusste bei der Entscheidungsfindung?
Das Unbewusste oder auch die Intuition sind nicht nur unergründliche Gefühle oder Bauchentscheidungen. Sie sind eng mit etwas verknüpft, das Affektheuristik genannt wird – ein übergeordneter, intuitiver Eindruck, der blitzschnell verfügbar ist. Dieser Eindruck, sei es ein „gutes Gefühl“ oder ein „schlechtes Gefühl“, repräsentiert ein umfassendes Urteil und fühlt sich stimmig an. Überraschenderweise kann dieses Gefühl in Situationen von unschätzbarem Wert sein, in denen Informationen begrenzt oder unsere geistigen Ressourcen erschöpft sind.
Intuition ist das Resultat aus Erfahrung, Wissen und einer tiefen Sachkenntnis. In solchen Momenten, in denen die Zeit knapp ist oder Informationen unvollständig, kann die Intuition schnelle Entscheidungen ermöglichen und helfen, unerwartete Herausforderungen zu bewältigen. Je mehr Erfahrung jemand mit einem Problem hat, desto besser ist er beraten, sich öfter auch mal auf sein erstes Gefühl zu verlassen.
Teil unserer Arbeit ist es, unseren Kundinnen und Kunden einen Erfahrungsraum zu eröffnen, in dem Intuition und Bauchgefühl zentrale Elemente bei Entscheidungen sind. Manchmal können wir erahnen oder gar herausfinden, was hinter dieser Intuition, hinter diesem Bauchgefühl steckt, manchmal bleibt es diffus.
Aber wie wird aus diesen scheinbar irrationalen Bauchentscheidungen eine rational erscheinende Entscheidung? Hier greift ein cleverer Trick unseres Gehirns: Diese intuitiven Entscheidungen werden nachträglich rationalisiert. So wird kaschiert, dass sie z. B. aufgrund von Formen, Farben, Schönheit oder Sympathie getroffen wurden, und nicht ausschließlich aufgrund von Zahlen, Daten und Fakten.
Wie wir unsere Entscheidungsfindung systematisch verzerren
Während wir uns in der Entscheidungsfindung zwischen Logik und Bauchgefühl bewegen, verzerren wir diese zwangsläufig. Unsere Absicht besteht oft darin, trotz beschränktem Wissen und begrenzter Zeit zu praktikablen Lösungen zu gelangen. Dabei spielen Heuristiken eine entscheidende Rolle. Heuristiken sind praktische Faustregeln oder gedankliche Abkürzungen, die uns helfen, trotz unseres begrenzten Wissens und der zeitlichen Einschränkungen Entscheidungen zu treffen und Urteile zu fällen. Heuristiken greifen ohne großes Grübeln und sind nahezu automatisch. Doch es gibt eine Kehrseite: Entscheidungen aufgrund verzerrter Wahrnehmungen zu treffen, kann weitreichende Folgen haben. Da Heuristiken nur Teile verfügbarer Informationen verwenden und nicht das gesamte Bild erfassen, können sie zu Fehlern führen.
Heuristiken
Blicken wir auf einige der Heuristiken, die wir täglich anwenden:
- Verfügbarkeitsheuristik: Diese Heuristik basiert darauf, dass wir die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses anhand unserer Erinnerungen einschätzen. Wenn uns ein Ereignis leicht in den Sinn kommt, neigen wir dazu, zu glauben, dass es wahrscheinlicher ist.
- Repräsentativitätsheuristik: Hier beurteilen wir die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses anhand dessen, wie gut es zu unseren bestehenden Vorstellungen oder Stereotypen passt. Wenn etwas unserem Bild von einer Kategorie entspricht, halten wir es für wahrscheinlicher.
- Ankerheuristik: Bei dieser Heuristik verwenden wir eine bekannte Information (den Anker) als Referenzpunkt, um eine Entscheidung zu treffen, und passen unsere Schätzungen darauf an.
- Bestätigungsfehler: Die Anfälligkeit dafür, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie das bestätigen, was man ohnehin schon gedacht hat.
- Expertenblindheit: Wir vertrauen kompetenten Leuten und hinterfragen sie nicht.
Diese Heuristiken sind faszinierende Werkzeuge, die uns dabei helfen, in der Welt der Entscheidungsfindung schneller zu navigieren und meistens auch richtige Entscheidungen zu treffen. Dennoch sollten wir uns nicht gänzlich auf sie verlassen.
Der Weg der Entscheidungsfindung ist also eine faszinierende Balance zwischen Logik und Intuition. Es geht darum, die Kunst zu beherrschen, rationale Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig auf unsere Intuition zu vertrauen. Warum? Weil in dieser Kombination die Fähigkeit liegt, flexibel auf Veränderungen und unerwartete Herausforderungen zu reagieren.
In unserem Berateralltag arbeiten wir integrativ und verbinden die Datenanalyse mit dem menschlichen Gespür, denn so treffen wir oft die besten Entscheidungen. Dies erfordert nicht nur analytische Fähigkeiten, sondern auch die Fähigkeit, genau zuzuhören und Empathie zu zeigen. Auf diese Weise können die Bedürfnisse und Erwartungen aller bestmöglich verstanden und im weiteren Prozess berücksichtigt werden.
Wie wir unsere Entscheidungsfindung verbessern können
Vielleicht haben Sie sich auch schon das ein oder andere Mal gefragt, was Sie tun können, wenn Sie mal wieder vor einer großen Entscheidung stehen. Wir zeigen Ihnen 3 Techniken, die Sie dabei unterstützen können, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Die WRAP-Technik
Der WRAP-Prozess besteht aus 4 Schritten:
- Weiten der Möglichkeiten (W): Denken Sie über verschiedene Optionen nach und bleiben Sie offen für Alternativen, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.
- Realität prüfen (R): Vermeiden Sie Selbstbestätigung, indem Sie widersprüchliche Informationen berücksichtigen und Ihre Annahmen hinterfragen.
- Abstand gewinnen (A): Betrachten Sie die langfristigen Auswirkungen Ihrer Entscheidung und hören Sie auf Ihre innere Stimmung, um herauszufinden, was Sie wirklich wollen.
- Problemen vorbeugen (P): Überlegen Sie, welche Probleme auftreten könnten, und entwickeln Sie Handlungsstrategien für den Fall des Scheiterns.
Gerade bei Entscheidungen in beruflichen Kontexten führt dieses Verfahren angesichts der höheren Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Beteiligten oft zu mehr Akzeptanz, als wenn eine einzelne Führungskraft aus dem Bauch heraus entscheidet. Ein zusätzlicher Vorteil besteht darin, dass Reue später oft nicht aus Entscheidungen resultiert, die getroffen wurden, sondern aus verpassten Chancen. Der WRAP-Prozess bietet die Möglichkeit, mehr Gelegenheiten zu erkennen und zu ergreifen, im Gegensatz zur zufälligen Entscheidungsfindung.
Szenario-Technik
Um die komplexe Natur von Entscheidungen zu verdeutlichen, kann ein Szenario-Trichter verwendet werden. Dieses Visualisierungsinstrument zeigt auf, dass verschiedene Faktoren sich ändern können, was zu unterschiedlichen Szenarien führt. Dabei können sowohl positive als auch negative Extremsituationen sowie verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Die Szenario-Technik erfordert zwar eine aufwendige Datensammlung und Analyse von aktuellen Informationen sowie zukünftigen Entwicklungen, aber der Aufwand kann sich lohnen. Denn die Technik hilft, die Unsicherheit in Entscheidungsprozessen zu erkennen und bewusst zu berücksichtigen.